Muskuläre Funktionsstörungen
Ursachen und die Therapie einer muskulären Funktionsstörung im Bereich des Beckens:
Während die orthopädische Lehrmeinung bei chronischen Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule häufig von dem Problem einer zu geringen Muskelkraft (Bauch/Rücken) ausgeht, basiert das Therapiekonzept der Biokinematik im Gegensatz hierzu auf der Wiederherstellung der natürlichen Beweglichkeit. Diese geht im Laufe der Zeit meist verloren. Im Allgemeinen gilt, dass je älter ein Mensch ist, umso unbeweglicher ist er geworden. Betrachtet man dagegen Kinder, dann sind sie in der Regel sehr beweglich – und leiden praktisch nie an chronischen Schmerzen im Bereich des Rückens.
Einer der Hauptgründe für Rückenschmerzen liegt in der Abnahme der Beweglichkeit nach hinten. Während die natürliche Maximal-Beweglichkeit hier bei etwa 180 Grad liegt (Kopf nach hinten unten durch die Beine, wie bei Schlangenmenschen zu sehen), weisen die meisten Erwachsenen eine Steifigkeit im Bereich von 0-30 Grad auf. 45 Grad Rückneigefähigkeit sind jedoch das absolute Minimum, das erreicht werden sollte, um ausreichend Beweglichkeit und dauerhafte Schmerzfreiheit zu haben.
Im Fall eines akuten Hexenschusses ist die Beweglichkeit nach hinten meist überhaupt nicht mehr möglich und der Betroffene läuft mit nach vorne geneigtem Oberkörper umher. Jegliche Bewegung nach hinten verschlimmert den Schmerz meist. Vorausgegangen ist hierbei oftmals eine ruckartige Aufrichtbewegung, welche zu einer Verkrampfung der Becken- und Bauchmuskulatur führte. Der Schmerz entsteht auf der Seite des muskulären Gegenspielers (Antagonisten) auf der Rückseite des Körpers, während die Ursache meist auf der Vorderseite im Bereich des Beckens und der Bauchmuskulatur zu suchen ist. Mittels einer Druckpunkttechnik lässt sich der Schmerz oftmals therapeutisch innerhalb von Minuten ohne den Einsatz von Schmerzmitteln reduzieren oder auflösen. Der Betroffene erlebt hierdurch oftmals eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen seiner Muskulatur und dem Schmerz im Bereich des Rückens. Ausstrahlungen des Schmerzes in Richtung Gesäß oder Beine sind so ebenfalls beeinflussbar.
Hintergrund eines akuten Hexenschusses ist die Problematik, dass sich bei einer Aufrichtbewegung Muskelstrukturen blitzschnell verlängern müssen, die durch den Alltag kaum mehr für schnelle Bewegungswechsel trainiert sind. Vor allem gilt dies für die Bauchmuskulatur und den darunter liegenden Iliopsoas Muskel, der bei vornehmlich sitzender Tätigkeit über Jahre hinweg in Richtung statischer Haltemuskel der Wirbelsäule umtrainiert wurde. Seine Aufgabe wurde auf das Halten des Oberkörpers zum Schutz gegen das Umfallen im Sitzen „degradiert“. Eigentlich ist dieser Muskel – der einer der wichtigsten Verbindungen zwischen Unter- und Oberkörper darstellt – dafür ausgelegt, dass Bein zu bewegen und nicht eine permanente Dauerbelastung (= Halten der Wirbelsäule) leisten zu müssen. Er spielt eine Hauptrolle in der Muskelkette des Beines, die von der Lendenwirbelsäule bis zum Fuß reicht. Über beständiges Sitzen wird über Jahre hinweg ein an sich sehr bewegliches Muskelsystem in eine zunehmende Unbeweglichkeit gezwungen. Der Körper passt sich diesem Belastungsreiz an – er konditioniert sich sozusagen immer weiter in Richtung Sitzen. In diesem Fall benötigt es lediglich einen kleinen Auslöser, um die Muskelfunktion entgleisen zu lassen. Schmerz und Verkrampfung sind dann die Folge.
Meist werden dann Schmerzmittel eingesetzt und wenige Stunden später sieht die Welt wieder in Ordnung aus. Doch obwohl das Akutereignis aufgelöst wurde, ist die Ursache (= Minderbeweglichkeit) damit nicht beseitigt. Meist kommt es in immer kürzere Abfolge wieder zu Schmerzproblemen und am Ende sind dann häufig selbst Schmerzmittel wirkungslos. Es folgen Therapieversuche vielfältiger Art, die manchmal mit Operationen enden.
Um dies bereits im Vorfeld zu vermeiden, bietet es sich deshalb an, mittels geeigneter Übungen die Muskulatur wieder so umzutrainieren, dass Muskelfasern sich wieder verlängern und die naturgegebene Beweglichkeit wiederhergestellt wird. Im Bereich des Beckens kann so innerhalb von Wochen intensiveren Trainings meist eine deutliche Verbesserung des Funktionszustands erreicht werden. Rückenschmerzen wird so die Grundlage entzogen. Gleichzeitig werden zahlreiche Organfunktionen, die über Muskeln gesteuert werden, ebenfalls positiv beeinflusst. Dies gilt beispielsweise für Darmträgheit oder Menstruationsstörungen.
Selbstverständlich können andere Ursachen und emotionale Gründe eine Rolle spielen – doch dauerhaft einseitige Sitztätigkeiten sind eine der Hauptquellen für chronifizierte Rückenschmerzen.
Hinzu treten einseitige Belastungen aus allzu intensivem Krafttraining, wobei hier in erster Linie das Bauchmuskeltraining zu nennen ist. Radfahren ist ebenfalls eher ungünstig, da es sich hierbei wiederum um eine sitzende Tätigkeit handelt. So werden die Unbeweglichkeiten noch weiter gefördert. Gerade bei derartigen sportlichen Tätigkeiten ist die Aufrechterhaltung des natürlichen Bewegungsausmaßes von großer Bedeutung, um dauerhaft gesund und schmerzfrei zu bleiben.
Dies stellt nur einen kurzen Einblick in die Entstehung von chronischen Rückenschmerzen durch einseitige Belastungen dar, manchmal liegen die Dinge komplexer und sind dennoch therapierbar.